Sie denken, Sie kennen jedes Förderprogramm? Sie haben schon jede Menge Grants eingeworben und glauben, jetzt sind Sie Drittmittelkönig*in? Von wegen. Jenseits von Sachbeihilfen und ERC gibt’s noch ganz andere Möglichkeiten. Die abgefahrensten von ihnen heißen nicht mal mehr Drittmittel. Ein Überblick über alle Levels des großen Fördermittel-Spiels:
Level 1 – Die Projektförderung

Die klassische Zuwendung kennen Sie: Sie haben eine Projektidee, schreiben einen Antrag und kriegen das Geld – von der DFG, dem ERC, der VolkswagenStiftung oder hunderten anderen Mittelgebern. Genauer gesagt, bekommt Ihre Hochschule oder Forschungseinrichtung die Gelder, und Sie dürfen sie ausgeben.
Wo das Geld herkommt: Drittmittelgeber aller Art.
Wie man da rankommt: Viele Anträge einreichen, bis endlich einer angenommen wird.
Was man dafür mitbringen muss: Eine gute Projektidee, Talent beim Schreiben und etwas Hartnäckigkeit
Vorteil: Quadratisch, praktisch, gut. Relativ einfach zu handhaben.
Nachteil: Nach drei Jahren geht der Zirkus von vorne los.
Level 2 – Das Verbundprojekt

„If you want to go fast, go alone. If you want to go far, go together.“ Das gilt natürlich auch für die Wissenschaft.
Wo das Geld herkommt: Größere Drittmittelgeber. Theoretisch können die Partner jeweils aus unterschiedlichen Quellen finanziert werden. Aber warum die Sache unnötig kompliziert machen?
Wie man da rankommt: Partner suchen, Antrag einreichen, Daumen drücken.
Was man dafür mitbringen muss: Kompromissbereitschaft und ein Auge für die richtigen Forschungspartner.
Vorteil: Mehr Schlagkraft durch interdisziplinäre Zusammenarbeit.
Nachteil: Nächtliche Zoom-Konferenzen mit Australien. Und ständiges Nachhaken, wenn ein Partner mit dem Projektbericht nicht aus dem Knick kommt.
Level 3 – Das Netzwerk

Vernetzung kommt nie aus der Mode. Wenn Sie Menschen zusammenbringen, ermöglichen Sie den fachlichen Austausch und die Generierung neuer Ideen. (Außerdem dürfen Sie als Initiator*in ganz vorne auf der Bühne stehen.) Im Hintergrund gibt es oft ein Sekretariat oder eine Koordinationsstelle, die das Ganze am Laufen hält.
Wo das Geld herkommt: von der DFG, anderen Drittmittelgebern oder manchmal auch von wissenschaftlichen Einrichtungen.
Wie man da rankommt: Einen flammenden Aufruf in der Community starten. Anschließend Fördermittel für ein neues Netzwerk beantragen.
Was man dafür mitbringen muss: Ein Rampensau-Gen, damit man die große Bühne nicht scheut. Und die Fähigkeit, Leuten das Gefühl zu geben, dass sie wirklich was verpassen, wenn sie hier nicht mitmachen.
Vorteil: Danach kennt einen jeder. Wirklich jeder.
Nachteil: Forschung kann man darüber nicht finanzieren. Es ist eben nur ein Netzwerk.
Level 4 – Upgrade für die eigene Institution

Neue Infrastruktur ist ein anderes Kaliber als Forschungsprojekte: In der Anschaffung ist sie meist teuer und braucht zudem ein jährliches Budget für Reparaturen oder spezielles Personal. Dafür ist sie dauerhaft verfügbar und kann einer Institution einen echten Standortvorteil verschaffen.
Wo das Geld herkommt: DFG, Landesministerien oder BMBF.
Wie man da rankommt: Offizielle Antragswege gibt es in den Großgeräte-Programmen (über die DFG) und im „Programm Forschungsbauten“ (über den Wissenschaftsrat). Falls das nicht ausreicht, müssen Sie folgendes tun: Erstens, Präsident*in einer Uni oder Forschungseinrichtung werden. Zweitens, enge Kontakte zum zuständigen Ministerium knüpfen und dort, drittens, sehr glaubwürdig versichern, dass ohne einen neuen Fusionsreaktor oder ein größeres Bibliotheksgebäude die Welt untergeht.
Was man dafür mitbringen muss: Wissenschaftliches Renommee und viel Überzeugungskraft.
Vorteil: Wenn Ihnen das gelingt, haben Sie für alle Zeiten Held*innen-Status an Ihrer Institution.
Nachteil: Kein Nachteil. Sie müssen sich nur mit geringen Erfolgschancen abfinden.
Level 5 – Das virtuelle Forschungshaus

In diesen Konstrukten kommen Forschung und Geld zusammen – allerdings ohne ein Gebäude drumherum. Die bekannteste Variante sind DFG-Sonderforschungsbereiche, die allerdings nach drei Förderperioden beendet werden. Ähnlich funktionierten früher die sog. „Virtuellen Institute“ der Helmholtz-Gemeinschaft, die mittlerweile wieder eingestellt wurden.
In den letzten Jahrzehnten hat das BMBF mit dauerhaften Varianten dieser Verbünde experimentiert, z.B. mit den Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung oder den Forschungscampi.
Wo das Geld herkommt: DFG oder BMBF
Wie man da rankommt:
- Wenn man damit leben kann, dass nach 12 Jahren Schluss ist – tolle Forschung machen, gute Partner um sich scharen, SFB beantragen.
- Wenn man was Dauerhaftes will: gute Partner um sich scharen, etwa zehn Jahre warten und sich dann im richtigen Moment auf die große BMBF-Ausschreibung bewerben.
Was man dafür mitbringen muss: Einen Status als Platzhirsch und die Fähigkeit, die aktuellen Buzzwords der Zeitgeschichte geschickt im Antrag aufzugreifen.
Vorteil: Ein Riesending. Sie sind plötzlich Hausherr*in einer völlig neuen Organisation.
Nachteile:
Erstens: Die Leute, die Sie um sich scharen, arbeiten weiterhin an ihrer Uni. Ihr schönes Konstrukt ist für viele von ihnen nur eine weitere Geldquelle.
Zweitens: Sie können Ihren Freunden keine Führung durch „Ihr Haus“ geben. Es gibt ja keins.
Level 6 – Ein eigenes Forschungshaus

Wenn Sie das schaffen, dürfen Sie sich mit dem Saarländer CISPA oder dem DLR-Institut für Gasturbinen in eine Reihe stellen: Die Politik beschließt, dass es für genau Ihr Thema ein neues Forschungsinstitut braucht – mit Ihnen als Direktor*in. (Ihre Konkurrenz wird dadurch ziemlich brüskiert, aber das muss Sie dann nicht mehr kümmern.) Nach ein bis zwei Jahren Vorlauf haben Sie endlich den goldenen Schlüssel in der Hand.
Wo das Geld herkommt: Technisch gesehen, vom BMBF. Aber Achtung: Richtige neue Forschungsinstitutionen finden ihren Weg in den Ministeriums-Etat meist nur über den Haushaltsausschuss. Oder sie werden gleich im Koalitionsvertrag festgeschrieben. In jedem Fall sollten Sie nicht beim Ministerium die Klinken putzen gehen, sondern beim Deutschen Bundestag.
Wie man da rankommt: Bahnbrechende Forschung machen, in der Politik ein- und ausgehen und bei der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses auf dem Flur herumlungern. Mit Ihrem Konzept griffbereit in der Tasche.
Was man dafür mitbringen muss: Einen Promi-Status als Wissenschaftler*in, eine Standleitung zu den Bundestagsfraktionen und eine ordentliche Portion Größenwahn.
Vorteil: Ein Denkmal. Nur für Sie.
Nachteil: Auf dem Weg dahin werden Sie sich unweigerlich Feinde machen. Das Geld muss ja irgendwo herkommen, d.h. die Mittel, die Sie für Ihr Haus bekommen, werden vermutlich jemand anderem weggenommen. Danach sind Sie zwar unsterblich, aber niemand mag Sie mehr.
Willkommen im Olymp.
Eine Antwort zu “Forschungsgelder, next Level”
sehr schöne Übersicht über die Möglichkeiten